Freitag, 18. Mai 2012

28 days later - Wenn ich für jeden Pixel einen Cent hätte...


Als großer Zombiefan, langjähriger "Left 4 Dead"- Spieler und bekennende High-Quality Hure, musste ich nicht lange überlegen, als ich letztens im Saturn "28 days later" erstmalig auf Blu-Ray MIT SONDERANGEBOTSSTICKER im Regal liegen sah.
Spätestens seit "127 hours" bin ich begeistert von Danny Boyle's Regiearbeit und mir zudem sicher, dass er seine acht Oscars vor drei Jahren und seine sechs Nominierungen 2011 redlich verdient hat.
Besonders die Kamerafahrten und der Einsatz von Musik war ihm meiner Meinung nach immer gut gelungen.
Ein Zombiefilm liegt für solch einen ästhetischen Filmemacher also nicht unbedingt Nahe.

Ich war demnach ziemlich gespannt, was Boyle aus dem Zombiefilmgenre heauskitzeln würde.
Im Vorfeld hatte ich größtenteils nur entsetzte Kritiken gelesen; die einzigen zwei Leute aus meinem Freundeskreis, die den Film gesehen hatten, sagten mir ich hätte mein Geld für etwas Sinnvolles ausgeben sollen und ein Großteil der GameOne-Redaktion, auf dessen Meinung ich eigentlich viel Wert lege, betitelte den Film als "langweiligstes Dings überhaupt" und erläuterte, dass es "unverständlich sei, dass man diesen Film überhaupt mögen kann".

In "28 days later" geht es vorrangig um den Londoner Fahrradkurier "Jim", der nackt in einem Krankenhaus aufwacht und ein leeres, verwüstetes Großbritannien vorfindet.
Schnell stellt sich heraus, dass er nicht so alleine ist, wie es scheint und das ein Großteil der Bevölkerung von einem "Wut-Virus" infiziert worden ist, der die Menschen in brutale, irrationale Killer verwandelt (oder eben auch Zombies ^^).
Zusammen mit der toughen Selena, dem robusten Frank und seiner Tochter Hannah durchquert Jim das verwahrloste England, in der Hoffnung auf Rettung im vermeintlich letzten, besetzten Militätstützpunkt.
Nur ahnen die vier Reisenden nicht, dass ihr Albtraum dort erst beginnt.

Die erste vermeintliche Ernüchterung in der Blu-Ray Fassung stellt sich schon in den ersten Sekunden ein - "28 days later" hat möglicherweise die mieseste Bildqualität, die man sich vorstellen kann:
Das Bild ist verschwommen, die Kamerafahrten sind ruckelig, die Auflösung kommt einer Handykamera gleich und die Farben sind matschig und unklar.
Und das ist keine von den guten Handykameras!
Als Kind des Internets lässt sich jedoch schnell herausfinden, dass es sich dabei um einen von Boyle absichtlich erzielten Effekt handelt; bis auf die Schlusssequenz, die im schönsten HD präsentiert wird, wurde der ganze Film mit alten "DV Kameras" abgedreht, obwohl das 2002 längst unüblich war.
Ein ungewöhnliches Stilmittel, doch man gewöhnt sich schneller daran, als man glauben mag.
Und wenn es gelingt, sich darauf einzulassen, erzeugt dieser grisselige Stil schnell eine unangenehme, dreckige Atmosphäre.

Optisch ist "28 days later" also ein ungeschliffener Diamant.
Besonders die britischen Landschaftsaufnahmen und das verlassene London im Einstieg sind sehr ansehnlich.
Und wie zu erwarten war, zeigt sich auch die musikalische Untermalung beeindruckend:
Wer diesen Soundtrack nicht eh schon kennt, sollte es hier schleunigst nachholen - kein Wunder, dass nicht nur die Fortsetzung, sondern auch Blockbuster wie "Kick-Ass" auf das düstere Hauptthema zurückgreifen.




Ohne zu viel zu spoilern, lässt sich sagen, dass sich "28 days later" erzählerisch fast auf
"Stanley Kubrick - Art" zweiteilt: Während die erste Hälfte fast schon als Horror-Road-Movie durchgeht, spielt die zweite auf engem Raum und hat fast keinen Bezug mehr zum Zombie-Genre.
Und ich bin sicher, dass ich nicht zu viel verrate, wenn ich vorweg nehme, dass die Überlebenden den Militärstützpunkt erreichen werden.

Dieser radikale Twist scheint zwar unpassend und hinterlässt aufgrund unglaubwürdiger Entwicklungen der Hauptpersonen auch einen faden Nachgeschmack, fällt aber während des Films nicht weiter auf und gibt der ersten, fast lockeren Splatterfilm - Hälfte einen tieferen Sinn.

Schauspielerisch zeigen sich eigentlich alle Hauptdarsteller, der seltsame Cillian Murphy  eingeschlossen, durchaus solide.
Besonders heraus sticht allerdings "Mad Eye Moody" Brendan Gleeson, der als fürsorglicher Vater sein Bestes gibt, um seiner Tochter Hoffnung zu geben und in düsteren Momenten die Situation aufzulockern, aber andererseits auch wieder seinem Jähzorn verfällt.
Nicht ganz so glänzen können dagegen die Soldaten in der zweiten Hälfte des Films, die dem Drehbuch zum Opfer gefallen und zu stereotypen Machos verkommen sind - aber um ehrlich zu sein war das in einem Film auch noch nie anders.

Ebenfalls erwähnenswert ist, dass sich Einflüsse aus "28 days later" auch heute noch im Genre finden - zum Beispiel der Grissel-Effekt in "Left for Dead" (jetzt verstehe ich auch endlich, wieso der irgendwie cool sein sollte) oder auch die Krankenhausszene in "The Walking Dead".
Miese Kritiken hin oder her, Kenner des Zombiefilms können nicht abstreiten, dass Boyles Werk nachfolgende Filme beeinflusst hat.

Bildgewaltig, Brutal, Bedrückend und im Nachhinein sehr tiefgehend - wer sich hierauf einlässt und über ein paar unglaubwürdige Charakterentwicklungen hinwegsehen kann, wird mit dem Film vielleicht nicht unbedingt "Spaß" haben, denn es ist kein typischer Splatterfilm à la Zombieland oder Dawn of the Dead.
Der Film ist über lange Strecken ruhig, distaniziert sich zum Schluss fast vollkommen von seinem eigenen Genre & Hauptdarsteller und erforscht eher die Abgründe im menschlichen Wesens, als nur oberflächliche Unterhaltung zu bieten.

Wer also bereit ist, 2 Stunden (möglichst alleine) in einen düsteren, grisseligen und intensiven Horror- Endzeitfilm zu investieren, dem kann ich versichern, dass er es nicht bereuen wird und dieses Filmerlebnis lange im Gedächtnis behalten wird.
Wer allerdings einen Splatterfilm erwartet, der wird wohl nach der ersten Hälfte abschalten müssen (oder vielleicht sogar vorher), denn leichte Unterhaltung bietet "28 days later" nicht.

Und verzichtet auf die Blu-Ray. Die lohnt sich eh nicht :D

So und gleich ein kleiner Vorgeschmack auf die nächste Kritik ^^




7 Kommentare:

  1. Sehr sehr gute Review. Muss mich da aber Gregor (Gameone) anschließen...Ich fand 28 Days later irgendwie nicht gut und weiß auch gar nicht warum ich mir dann den Nachfolger reingezogen habe, der wiederum ein Meisterwerk ist.
    Hast du Weeks gesehen?

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    1. Leider nur bruchstückhaft! :D Sah aber auch ganz ansprechend aus... ich werd ihn mir auf jeden Fall nochmal anschauen und den ersten dann ja vielleicht auch nicht mehr so gut finden, wer weiß ^^

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    2. Ach und ich bin glücklich, dass ich nicht der Einzige bin, der sich immer die ganzen Kopfkino-Podcasts anhört :D

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    3. Jeden einzelnen Gameone-Podcast. Wenn du ein großer Filmfan bist, kann ich dir den Celluleute-Podcast empfehlen. Durch den bin ich erst zu vielen meiner heutigen Lieblingsfilme gestoßen.

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    4. Kenn ich auch schon, dank Etienne von GameOne ^^ Ich wollte mich sogar einmal da als Gast-Reviewer bewerben, hab mich dann aber doch nicht getraut.

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  2. Top Review! Du bist als Comedian wirklich genau so talentiert wie als Kritiker. Die Review liest ich sehr gut, ist informativ und beinhaltet subjektive wie objektive Meinung gleichermaßen gut angewandt.
    Zum Film: 28 Days later ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme!
    Ich habe das Horror- / Zombiegenre nie gemocht und trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb) ist der Film meiner Meinung nach ein wahres Meisterwerk. Genau so wie 28 weeks later. Das, was diese beiden Filme für mich mit am besten macht, ist der jedes mal perfekt abgepasste Einsatz eines einzigen, wahrlich epischen Soundtracks. Ich höre mir den Song sehr gerne auch einfach mal zwischendurch an.
    Ich muss dir auch total dafür danken, dass du mich wieder auf den Film gebracht hast, weil er in der letzten Zeit bei mir leider etwas in Vergessenheit geraten ist. Ich werde mir die beiden Filme in näherer Zukunft auf jeden Fall noch einmal anschauen.

    LG, ein auf 28 Months later wartender Fan von dir (alias Tie^^)

    P.S. Weiter so! ;-)

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    1. Hey! :D Der erste Mensch den ich treffe, der den Film auch mag.
      Jaa, den Soundtrack finde ich wirklich klasse, kann mich bei Weeks nicht mehr so richtig dran erinnern... ich glaube da war was mit nem Stadion oder so, ich bin mir nicht sicher...
      Auf jeden Fall hoffe ich innigst auf einen dritten Teil, auch wenn mir Wikipedia immer wieder bestätigt, dass wohl keiner folgen wird :PP

      LG, Mirko ;)

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